An der interreligiösen Feier zum eidgenössischen Bettag in St. Gallen versammeln sich Menschen aus unterschiedlichen Traditionen. Religiöse Traditionen sind in ganz unterschiedlichen Kontexten entstanden. Dass die verschiedenen Glaubensgemeinschaften in St. Gallen den Bettag mitgestalten, verdanken wir der Religionsfreiheit.
Auf der Interreligiösen Bettagsfeier in St. Gallen singen, beten und rezitieren Menschen aus unterschiedlichen Traditionen. Manche sind sehr alt, andere wirken sehr modern. Religiöse Traditionen sind in ganz unterschiedlichen Kontexten entstanden. Die Hl. Schriften der Juden und Jüdinnen, der Christ*innen, der Muslim*innen und der Baha’is haben viele gleiche Themen. Viele befassen sich mit Texten, Ritualen und Inhalten älterer Traditionen, führen sie fort oder kritisieren sie. Die Hl. Schriften der Sikhs setzen sich mit den Geboten und Lehren des Hinduismus und des Islams auseinander. Doch auch wenn einige Gebete und Lieder sich ähneln, gehören sie zu einer neuen Offenbarung.
Manchmal lesen Reformer*innen uralte Schriften «wieder» und interpretieren sie neu. Manchmal kommt es zu scharfen Auseinandersetzungen, die Wege trennen sich und eine neue und eigene Tradition entsteht. Eine veränderte Umgebung kann dazu führen, dass Religionen ihre Texte übersetzen und ihre Rituale anpassen. Mission, Völkerwanderungen und Kriege, aber auch kultureller Austausch bringen Religionen aus unterschiedlichen Regionen der Welt in Kontakt. Seit dem 20. Jahrhundert führen Migration und Globalisierung zu einer nie da gewesenen religiösen Vielfalt.
Das zeigt sich auch in St. Gallen. Einige Religionsgemeinschaften haben ihre Wurzeln in Indien oder Tibet, sind aber mit westlichen Lehrern verbunden. Einige haben sich in Dachverbänden organisiert und versuchen, konfessionelle Unterschiede zu überbrücken. Andere haben in St. Gallen Heimat gefunden, weil sie oder ihre Vorfahren in ihrer Heimat aus religiösen Gründen verfolgt wurden: Evangelische Christ*innen aus Ungarn, tamilische Hindus aus Sri Lanka, Muslim*innen aus Afghanistan, Kurd*innen aus Syrien, Alevit*innen aus der Türkei, orthodoxe Christ*innen aus Eritrea und der Ukraine, Baha’i aus dem Iran oder Sikhs aus dem Punjab. Dass sie heute in St. Gallen den Bettag mitgestalten, verdanken wir der Religionsfreiheit. Sie ermöglicht ein Zusammenleben in Frieden.
Weitere Informationen: www.bettagstgallen.ch
Trotz Kälte und Dauerregen – Interreligiöse Bettagsfeier mit 20 verschiedenen Religionsgemeinschaften auf dem Klosterplatz.
Am Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag, Samstag, 19. September 2021, fand auf dem Klosterplatz St. Gallen die Interreligiöse Bettagsfeier statt. In diesem Jahr stand die Feier unter dem Motto «Ich höre dein Gebet um Heilung». Gedacht wurde allen heilenden und helfenden Kräften in der COVID19-Pandemie.
Menschen aus 20 verschiedenen Religionsgemeinschaften aus St. Gallen und Umgebung hatten sich trotz stark anhaltendem Regen und spürbarem Temperatursturz nicht abhalten lassen, die interreligiöse Feier auf dem Klosterplatz zu feiern. Der Bettag wird in St. Gallen gemeinsam von Kanton und Stadt St. Gallen, den Landeskirchen sowie vielen anderen Religionsgemeinschaften gestaltet.
Eröffnet wurde die Feier, die in dieser Form einmalig in der Schweiz ist, durch ein Grusswort von Stadträtin Sonja Lüthi (GLP). Sie erinnerte an den ersten Buss- und Bettag, der 1639 in St. Gallen nach mehreren Seuchenepidemien während des Dreissigjährigen Krieges durchgeführt wurde. Es folgte eine kurze Ansprache von Regierungsrätin Laura Bucher (SP), die auf die St. Galler Erklärung einging. Dieses Dokument wurde vor 15 Jahren gemeinsam entwickelt; es ist ein eindrückliches Manifest, das sich einerseits gegen jegliche Vereinnahmung, extreme Auslegung oder gewalttätige Umsetzung von Religion ausspricht und andererseits die gemeinsamen Werte der Religionen betont, die das Fundament einer friedlichen Gesellschaft bilden. Auch in diesem Jahr wurde die St.Galler Erklärung von einer neuen Religionsgemeinschaft unterzeichnet – durch den Präsidenten des Alevitischen Kulturzentrums Ostschweiz, Hürsen Dogan. Er zitierte den mystischen Dichter Hacı Bektaş-ı Veli, dessen Lyrik eine der spirituellen Grundlagen des alevitischen Glaubens darstellt.
Die alevitische Gemeinde nahm daraufhin auch erstmals im Kreis der Religionen Platz, deren Gebete das Herzstück der Interreligiösen Bettagsfeier darstellen: Es folgten Mantras aus dem Hinduismus, Gesänge aus der Sikh-Tradition, ein Gebetsruf vom jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur, Rezitationen aus den Versen über den achtsamen Pfad im Buddhismus, aus dem Koran und der Gebetstradition des Propheten Muhammad, sowie Gebete aus der christlichen Tradition wie auch der Baha’i-Religion. Die Beiträge thematisierten die Sehnsucht nach Frieden und Heil, die Bitte zu Gott als dem Schöpfer und Helfer und um eine gute Zukunft für alle Menschen.
Die musikalische Gestaltung wurde in diesem Jahr durch die traditionelle Gruppe der Alphörner sowie von den beiden Klang- und Stimmkünstlern Marcello Wick und Andreas Paragioudakis übernommen. Den Abschluss der Bettagsfeier gestalteten die Spitalseelsorgerin Sabine Zgraggen und die Dolmetscherin und Pflegefachfrau Kumrie Musli. Kumrie Musli betonte, wie wichtig es sei, in der Pandemie zusammenzustehen und nicht die Betroffenen auszugrenzen, die «ohnehin schon zu den weniger Privilegierten auf der Welt gehören». Sabine Zgraggen berichtete, dass nicht nur die Intensivstationen, sondern auch die Psychiatrien voll seien, weil es den Menschen an Berührungen, an Kontakten und Umarmungen fehle: «Vergessen wir nie: Des Menschen Sehnsucht ist ein Leben in Beziehungen!»
Weitere Informationen: www.bettagstgallen.ch
19. September 2021, 15 Uhr, Klosterplatz St.Gallen.
Nimm teil an der interreligiösen Bettagsfeier auf dem Klosterplatz St.Gallen und erlebe die Vielfalt unserer Religionen. Setze eine Zeichen für Frieden, Respekt und gesellschaftlichen
Zusammenhalt. > Programm
... Wenn wir beten sind wir alle gleich, auch wenn wir Gott unterschiedlich benennen. Alle Menschen sind getragen vom Glauben und der Hoffnung auf Gesundheit, Wohlergehen und Sicherheit.
Die "St.Galler Erklärung" möchte aufzeigen, wie wir das Verbindende der Religionen erkennen und den Unterschieden der Religionen mit Respekt begegnen lernen.
Die "St.Galler Erklärung für das friedliche Zusammenleben der Religionen" bildet die Grundlage für das Zusammenleben und Nebeneinander der unterschiedlichen Religionen und wurde im Jahre 2005 von den Landeskirchen und Glaubensgemeinschaften der Ostschweiz in einer gemeinsamen Charta verfassst. Die St.Galler Erklärung lässt sich vom Grundsatz leiten, dass es Unterschiede unter den Menschen gibt, dass es diese braucht und diese benannt werden dürfen, aber dass sie relativ sind. Wir setzen uns ein für eine vielfältige, integrative Gesellschaft auf der Basis grundlegender humanitärer Werte und demokratischer Rechtsstaatlichkeit.
Der interreligiöse Bettag St.Gallen steht im Sinne und Geist dieser Erklärung und ist wegweisend für den zukünftigen "interreligiösen Dialog" und den Umgang mit der religiösen Vielfalt unserer Bevölkerung.
Die St.Galler Bettagsfeier möchte einen Weg aufzeigen, wie der Eidgenössische Bettag eine zeitgemässe Zukunft haben kann. Die interreligiöse Feier knüpft an die Tradition, wonach dieser staatliche Feiertag von allen Religionen gemeinsam gefeiert werden kann, er zeigt religiöse Gemeinsamkeiten auf und begegnet Unterschieden mit Respekt.
Darüber hinaus setzt die Veranstaltung ein deutliches Zeichen dafür, dass das friedliche Zusammenleben der Kulturen möglich ist. Gerade in Zeiten, wo ausgrenzender Populismus wieder Konjunktur hat, ist die öffentliche Bekundung und das Einstehen für die liberalen Werte der Schweizer Bundesverfassung ein Grund mehr sich an der Feier zu beteiligen.
Wir freuen uns über Ihre Teilnahme an der interreligiösen Feier zum Eidgenössischen Bettag auf dem Klosterplatz am 19. September 2021von 15:00 bis 16:30 Uhr in St.Gallen.
Die interreligiösen Bettagsfeier wird musikalisch von den beiden Stimm- und Klangkünstlern Marcello Wick und Andreas Paragioudakis begleitet. Ihre Musik ist gefüllt mit Spiritualität, verbindet kulturelle Traditionen und überwindet Grenzen.
Die intereligiöse Feier ist auch immer ein Ort wo gesungen und musiziert wird, oft in unterschiedlichen Sprachen und kulturellen Traditionen. In diesem Jahr ist es das Stimmkünstlerduo Marcello Wick und Andreas Paragioudakis von Wotsala, die mit ihren einfühlsamen Klängen die Feier umrahmen.
Bereits beim Einzug hören wir die Alphornklänge vom Trio Echo vom Gleis um danach gemeinsam die Nationalhymne anzustimmen. Denn der eidgenössische Bettag ist ein traditioneller nationaler Feiertag und erinnert mit dem gemeinsamen singen der Nationalhymne an die Einigkeit unserer Gesellschaft in ihrer Vielfalt, auf der Basis unserer Bundesverfassung.
Wir freuen uns über Ihre Stimme an der interreligiösen Feier zum Eidgenössischen Bettag auf dem Klosterplatz am 19. September 2021 von 15:00 bis 16:30 Uhr in St.Gallen.
Hier können Sie das Lesebuch mit Geschichten zum interreligiösen Dialog aus der Ostschweiz beziehen.
Kontakt:
Projektkoordination
Gesellschaftsfragen Stadt St.Gallen
071 224 56 99 | peter.tobler@stadt.sg.ch